»Vergessen Sie uns nicht.«
Die Malerin Julie Wolfthorn
(Thorn 1864 –
1944 Theresienstadt)

Ausstellung des Westpreußischen Landesmuseums, 20. Oktober 2018 bis 24. März 2019

 

Zu der Sonderausstellung werden regelmäßig öffentliche Führungen angeboten. 

 

Julie Wolfthorn
Bildnisstudie blauer Hut
Öl auf Leinwand, o. J.
Privatbesitz

Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts beschäftigt sich die Kunstgeschichte mit der Erforschung der »vergessenen« Künstlerinnen der Moderne, zu denen auch zahlreiche jüdische Malerinnen zählen. Diese hatten es sowohl als Frauen als auch aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit vielfach schwer, sich ihren verdienten Platz in der Kunstgeschichte zu erobern.

Für die aus einer assimilierten bürgerlichen Familie jüdischen Glaubens stammende Malerin und Grafikerin Julie Wolfthorn war das Judentum für die meiste Zeit ihres Lebens nicht von Bedeutung. Dies änderte sich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten, nach der alle Künstlerinnen und Künstler jüdischer Herkunft von den 1935 verabschiedeten »Nürnberger Rassegesetzen« betroffen waren.

Viele dieser Künstlerinnen und Künstler hatten erfolgversprechende Karrieren vor sich oder bereits einen wichtigen Beitrag zur Kunst geleistet, als sie zunächst Ausgrenzungen erfuhren und schließlich im Holocaust vertrieben, deportiert oder ermordet wurden. Diese physische Auslöschung ging einher mit dem Raub und der Zerstörung ihrer Werke und deren Entfernung aus den Museen und öffentlichen Sammlungen. Julie Wolfthorn, deren Leben und Werk mit dieser Ausstellung gewürdigt werden soll, zählt zu diesen vergessenen Künstlerinnen.

Julie Wolf – so der Geburtsname – wurde 1864 im westpreußischen Thorn, dem heutigen Toruń, geboren. Etwa 1890 begann sie mit einer künstlerischen Ausbildung in Berlin und München und setzte ihr Studium dann in Paris fort. Bereits während der Ausbildung unternahm Julie Wolfthorn Studienreisen und arbeitete unter anderem in den Künstlerkolonien Dachau und Worpswede. In den späten 1890er Jahren kamen Aufenthalte in der französischen Künstlerkolonie Grez-sur-Loing hinzu.

Es gelang Julie Wolfthorn, sich erfolgreich als Malerin in Berlin zu etablieren. Es war eine Zeit, in der Frauen begannen, die konservativen Rollenzuweisungen in Frage zu stellen und gleichzeitig die absurden Vorurteile zeitgenössischer Kunstkritik gegenüber weiblicher Kreativität zu widerlegen. Julie Wolfthorn war Teil eines Netzwerkes künstlerisch und gesellschaftlich aktiver Frauen. Durch ihr unermüdliches Engagement trug die Malerin schließlich auch zur Anerkennung der professionellen Kunstausübung von Frauen bei. Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit setzte sich die Malerin vehement für die Zulassung von Frauen zum Studium an den öffentlichen Kunstakademien ein. Sie war Mitglied in verschiedenen Frauenkunst- bzw. -kulturvereinen und gründete unter anderem gemeinsam mit Käthe Kollwitz 1906 die Ausstellungsgemeinschaft »Verbindung Bildender Künstlerinnen Berlin-München«.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde Julie Wolfthorn aufgrund ihrer jüdischen Herkunft aus nahezu allen Vereinigungen ausgeschlossen, erhielt Publikationsverbot und durfte nur noch im Rahmen des »Jüdischen Kulturbundes« und anderer jüdischer Institutionen ausstellen. Für die Künstlerin wurde es fast unmöglich, Aufträge zu erhalten. Ihre Bemühungen um ein Visum für eine Ausreise in die USA scheiterten.

1942, einige Tage vor ihrer Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt, schrieb sie an den Freund Carl Eeg: »Heute sende ich Ihnen den letzten Gruß. Wir warten hier auf d. Abtransport nach Theresienst. u. sind beinah zufrieden, endlich d. Ungewissheit los zu sein. Vergessen Sie uns nicht.« (Postkarte vom 17.10.1942).

Am 28. Oktober 1942 wurde Julie Wolfthorn mit dem Transport I/72 von Berlin nach Theresienstadt gebracht. Sie überlebte zwei Jahre in Haft und starb krank und entkräftet aufgrund der Mangelernährung und der unzureichenden gesundheitlichen und hygienischen Bedingungen am 29. Dezember 1944. Julie Wolfthorn zählt zu den rund 35000 Menschen, die in Theresienstadt ermordet wurden.

Das Westpreußische Landesmuseum präsentiert anlässlich des 75. Todestages eine Übersicht über das Œuvre der Künstlerin. Gezeigt werden Porträts, Landschaften, Stillleben, grafische Arbeiten und biografische Dokumente aus Privatbesitz.

Kooperationspartner bei dieser Ausstellung sind Dr. Heike Carstensen, der Arbeitskreis »Jüdisches Leben in Warendorf« der Altstadtfreunde Warendorf e.V. und die Volkshochschule Warendorf.