Donnerstag, 15.03.2018, 18:00 Uhr
PD Dr. Sven Tode, Europa-Universität Flensburg:
»Die Reformation in den kleinen
Städten Westpreußens«
Preußen als Landschaft ist im kollektiven Bewusstsein kaum noch präsent. Dass dort das erste geschlossene evangelische Territorium lag, wird selbst in aktuellen Darstellungen zur Reformationsgeschichte zuweilen vergessen. Im späteren Westpreußen mit den dominierenden drei Großstädten Danzig, Elbing und Thorn war der polnische König Landesherr, wenngleich der preußische Landtag im Königlichen Preußen, wie die Landschaft damals hieß, viele Sonderrechte genoss. Hier breitet sich die Reformation ausgehend von den großen Städten schließlich auch in den ca. 90 kleineren Städten und in den vielen ländlichen Gemeinden unterschiedlich schnell aus. Die reformatorischen Bewegungen in Westpreußen waren quasi dreigeteilt: die Regionen im Umfeld Danzigs, Thorns, Elbings und des Bischofs von Pomesanien wurden relativ früh evangelisch, während die zentralen Gebiete von Zempelburg über Konitz und Tuchel nach Berent weitgehend auf sich selbst gestellt waren. Das katholische Bistum Kulm im Südosten wirkte dagegen massiv auf sein Umland ein und erschwerte evangelisches Leben.
Gerade der Blick auf die städtischen Gemeinden, meist mit kaum mehr als 300 bis 500 Bewohnern, im Austausch mit den umgebenden Dörfern, fokussiert den Blick auf dem Umgang mit Religion in allen Facetten: Im Alltag, im Verhältnis zwischen den Konfessionen, zwischen Gemeinde und Seelsorger, zwischen Patronatsherr, Bischof und Landesherr ebenso wie bei der Ämterökonomie und der Entstehung eines neuen Phänomens: des evangelischen Pfarrhauses. Auch die ökonomischen Umwälzungen, die durch die Neuorientierung oder Auflösung von Klöstern, dem entstehen von neuen Bildungseinrichtungen, der Verkündigung des Evangeliums in der Muttersprache und der Hausväterverkündigung ausging, hat erhebliche gesellschaftliche Veränderungen nach sich gezogen. Schließlich wird der Vortrag auf das Verhältnis zwischen evangelischer Kirche und dem Genossenschaftsverband, vulgo „staatlichen“ Strukturen, eingehen.
Privatdozent Dr. Sven Tode ist direkt gewählter Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft (SPD) und lehrt an der Europa-Universität Flensburg. Er studierte Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Geographie an den Universitäten Hamburg und Norwich und wurde 1993 promoviert. Seine Dissertation widmete sich den Thema Stadt und Bauernkrieg anhand von vier thüringischen Städten. Seine Habilitationsschrift trägt den Titel „Gottes Wort und Volkes Stimme – Gemeindeseelsorger in Preußen 1520-1772“. Dr. Tode lehrte und arbeitete an den Universitäten Hamburg, Potsdam, Frankfurt/M., Hildesheim und Kassel und bekleidete fünf Jahre eine Professur an der Universität Ermland-Masuren in Allenstein (Olsztyn), Polen. Dr. Tode ist Vorsitzender der Copernicus Vereinigung für Geschichte und Landeskunde Westpreußens sowie gewähltes Mitglied der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung.